Was sind Viren?

Ich lese in den Zeitungen, dass Journalisten oft über Viren wie über Bakterien sprechen, und umgekehrt. Auch bemerke ich in den Sprechstunden immer häufiger, dass nicht viele Menschen den Unterschied zwischen den verschiedenen Parasitenarten kennen. An sich ist es keine Katastrophe, aber für ein richtiges Verständnis über Funktionsweisen der verschiedenen Medikamente ist es notwendig, sich über den Unterschied bewusst zu sein. Daher lohnt es sich, kurz einige grundlegende Informationen über sie zu geben.

Wenn wir von Parasiten sprechen versteht man darunter alle einzelligen und mehrzelligen Organismen, die sich auf Kosten eines Wirtes am Leben halten.

Bei Parasiten denken wir vor allem an Würmer und Milben. Diese sind meist mit bloßem Auge zu sehen.

Mit bloßem Auge nicht zu erkennen sind andere Parasiten. Wie unterscheidet man nun die Bakterien, Protozoen und Viren.

Bakterien sind einzellige Lebewesen, die in der Regel empfindlich auf Antibiotika und Chemotherapeutika reagieren.

Zu dieser Gruppe der Bakterien gehören nicht nur Schädlinge, sondern auch diejenigen, die sehr nützlich sind und z.B. bei der Verdauung benötigt werden.

Eine weitere Gruppe von Parasiten sind Einzeller. Bei den Tauben gehören dazu die Trichomonaden, Hexamiten und Kokzidien. Diese Feinde werden mit spezifischen Chemotherapeutika bekämpft. Entgegen der landläufigen Meinung sind die Trichomonaden praktisch nur mit einer Medikamentengruppe namens Imidazolverbindingen zu bekämpfen. Sollten Parasiten gegen ein Medikament dieser Gruppe Resitenzen zeigen, so besteht die Resitenz gegen alle Medikamente dieser Gruppe. Dann spricht man von einer Kreuzresistenz.

Dies muss bei der jeweiligen Bekämpfung der Trichomonanden und Hexamiten berücksichtigt werden.

Eine ausreichend lange und umfassende Behandlung ist von größter Bedeutung. Gehen wir nicht konsequent gegen diese Parasiten vor haben wir in Kürze das Problem der multiplen Resistenzen. Die Parasiten haben freie Bahn.

Es ist ein Irrglaube von vielen Züchtern, dass ein häufiger Medikamentenwechsel vor Resitenzen schützt. Sobald die Medikamente zur gleichen Wirkstoffgruppe gehören geht das Konzept nicht auf.

Viren sind schließlich Parasiten, die für ihre Vermehrung die Zellen ihrer Wirte brauchen. Viren lassen die Zellen ihrer Wirte für ihre Vermehrung bezahlen. Es gibt antivirale Medikamente im Humanbereich. Für einen breiten Einsatz bei Tauben gibt es dies praktisch nicht, teils wegen der hohen Kosten.

Viren können nicht mit Antibiotika bekämpft werden.

Die Bekämpfung des Virus bei Tauben sollte daher vor allem im Bereich der Präventivmedizin erfolgen.
Ich gebe eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten Viren, die Probleme bei Tauben verursachen können. Ich möchte mich auf die praktischen Auswirkungen konzentrieren.

Pocken

Pocken sind gerade jetzt ein ganz großes Problem.

Ich bin überrascht, dass die Züchter manchmal eine besondere Form der Vogel Strauß Politik betreiben und denken, dass ihre Tiere nicht gefährdet sind. Die Jungtauben werden gegen diese Krankheit einfach nicht geimpft. Es ist verständlich, dass die Leute nur ungern in der Alttauben-Saison impfen obwohl Pockenausbrüche beobachtet wurden.

Aber eine Impfung der Jungtauben ist doch wohl zumutbar.

Im Gegensatz dazu treten bei einer Notimpfung, nachdem die ersten Symptome aufgetreten sind, häufig schwere Symptome auf. In diesem Moment kann man nur versuchen, die Folgen einer Infektion so viel wie möglich zu minimieren und so viele Tauben wie möglich zu impfen, in der Hoffnung, eine „Barriere“ aufzubauen. Die Tauben, die jedoch schon infiziert sind, werden trotzdem krank.

Die Symtome sind derzeit am intensivsten in diphtheritischen Wucherungen im Mund und umfangreiche Pockenbildung auf den Augenlidern in traubenähnlicher Form.

Es besteht die Möglichkeit, die Tauben mit einem Kombinationsimpfstoff auch gegen Paramyxo zu impfen. Die Leute sagen, dass dieser Impfstoff nicht ausreichend wirkt. Aber solange gewährleistet ist, dass der Impfstoff „lege artis“ (= wie angegeben) verwendet wird, entstehen in der Praxis kaum Probleme. Vielleicht gibt es Leute, die Impfstoffe zu alt werden lassen oder nicht kühlen. Somit vermindert sich die Wirksamkeit erheblich. Der Impfstoff sollte nach der Auslösung bald verwendet werden.

Eine Alternative ist der Impfstoff mit Pinsel.

Derzeit gibt es zwei Produkte auf den Markt, die verwendet werden könnten. Dabei werden Federn ausgerissen und dann wird mit einem Pinsel der Impfstoff in die Federfollikel eingerieben.

Was ist mit Tauben welche schon mit Pocken infiziert sind? Pocken im Mund kann man mit einem Wattestäbchen mit Jod oder Helcostinktur betupfen. Rund um die Augen natürlich nicht mit diesen Substanzen arbeiten, da die Gefahr besteht, dass die Augen beschädigt werden.

Die Tauben sind unfähig sich selbst zu ernähren. Sie müssen mit kleinen Körnern oder einer speziellen Paste, welche in eine Spritze gefüllt wird, zwangsernährt werden.

Sind die Tauben darüberhinaus noch krank durch sekundäre Infektionen, müssen auch diese behandelt werden.

Paramyxo

Deutsche Tierarztkollegen informieren Züchter dahingehend, dass ein mutierter Paramyxovirusstamm zu einer erheblichen Jungtaubensterblichkeit führen kann. Die Symptome sehen aus wie eine Adenocoli-Infektion mit dem grünlichen Durchfall.

Drehhälse und wässriger Kot gibt es anscheinend nicht. Letzteres ist erstaunlich, weil die Nieren betroffen sind. Vielleicht zeugt dies von einer Mischinfektion mit anderen Erregern.

Die zunnehmende Gefahr einer Infektion rät dem klugen Züchter zur regelmässigen Impfung und nicht wie oft üblich, den Impftermin zu überspringen.

Herpesvirus

Mein Newsletter über den Herpes-Virus hat eine Menge Reaktionen hervorgerufen. Viele Züchter haben sich gemeldet, deren Tauben die beschriebenen Symptome erkennen liessen.

Es wurde auch über grosse Jungtaubenverluste berichtet und über Jungtauben mit gelben Belägen im Schnabel.

In unserer Praxis sind in den letzten Wochen eine Menge Tauben mit Herpesvirus-ähnlichen Symptome gezeigt wurde.

Wenn der Verdacht auf einen Virusbefall besteht ist es unbedingt notwendig, die sekundären Infektionen zu bekämpfen und die Widerstandskräfte der Tauben so gut wie nur eben möglich zu entwickeln und die Tauben auf keinen Fall zu reisen.

Tatsächlich ist das Risiko, dass ein Drittel bis die Hälfte der Jungtauben nicht nach Hause kommen, gegeben.

Oft wurde in den letzten Monaten nach den Symptomen gefragt. Das Problem ist, dass viele Krankheiten keine Symptome zeigen, aber sobald die Tauben es mit stressigen Umständen zu tun haben wird das Vrus verstärkt auf dem Schlag oder im Kabinenexpress ausgeschieden und der Infektionsdruck steigt mit allen Konsequenzen.

Dann haben wir einen klinischen Ausbruch bei den Tauben, die nicht fliegen wollen oder dürfen. Sie flattern ums Haus, ziehen aber nicht weg. Auflässe von kurzer Distanz können tödlich sein und führen zu großen Verlusten. Die Tauben scheinen ihre Fähigkeit zur Orientierung verloren zu haben.

Sekundäre Infektionen wie Staphylococcen sorgen manchmal für eine Verzerrung des klinischen Krankheitsbildes mit Entzündungen im Hals- und Atemwegsbereich. Nun gilt es gerade dieses Bakterium intensiv zu kämpfen. Eine falsche Medikamentenwahl kann die Krankheit nur noch schlimmer machen. In der Tat ist gegen das Virus wenig oder nichts zu tun. Aber wenn es noch ein Staphylokokken-Problem als sekundäre Erkrankung gibt und es wird ein falsches Medikament gewählt, wird dies die Symptome nur verschlimmern. Es darf bei der Behandlung nur nicht vergessen werden. Bitte berücksichtigen Sie, dass Staphylokokken eine große Antibiotika-Resistenz besitzen.

Mit kurzen Behandlungen werden diese Bakterien nicht unter Kontrolle gebracht.

Auch müssen alle Register gezogen werden, um die Abwehrkräfte zu unterstützen, um es nicht mit einem chronischen Problem zu tun zu bekommen. Bei Verdacht auf Staphylokokken als sekundäres Problem in Verbindung mit einer Herpes-Erkrankung ist es notwendig, ein Antibiogramm zu erstellen als Vorrausetzung für eine zielführende Behandlung.

Über den Autor:

Dr. Peter Boskamp ist Tierarzt. Besuchen Sie seine Praxis. Die Fragen unserer geschätzten Besucher beantwortet Dr. Peter Boskamp kostenfrei in unserer Taubensprechstunde.

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